150 Jahre Eisenbahn in Beratzhausen – Damals erlebten die Menschen eine Zeitenwende

 

Ein historischer Tag für Beratzhausen und die Region. Vergangenen Samstag vor 150 Jahren – am 1. Juli 1873 – wurde die Eisenbahnbrücke eingeweiht und die Bahnstrecke Regensburg-Nürnberg in Betrieb genommen. Ein echter Meilenstein in unserer Geschichte. Wenn nicht sogar DER Meilenstein.

 

Zwischen 1870 bis 1872 entstand die Eisenbahnbrücke über dem Tal der Schwarzen Laber in Beratzhausen. Die Brückenbaufabrik Cramer-Klett aus Nürnberg errichtete hier die dritthöchste Eisenbahnbrücke Bayerns (180 m lang, 42 m hoch). Das vielfach bewunderte technische Bauwerk wurde zunächst eingleisig, ab 1884 zweigleisig befahren.

 

Mit der Eröffnung der Bahnstrecke Nürnberg – Regensburg vor 150 Jahren sollte sich das Leben der Bürgerinnen und Bürger in der Marktgemeinde Beratzhausen gründlich verändern. Die Eisenbahn brachte für den Markt und seine Bewohner einen gewaltigen wirtschaftlichen Aufschwung. Bereits durch den Brücken- und Gleisbau wurden viele Arbeitsplätze geschaffen. Für die über tausend Gastarbeiter (hauptsächlich Italiener) mussten Unterkünfte bereit gestellt werden: alte Häuser wurden umgebaut; es wurden Neubauten und Baracken errichtet. Das Gewerbe, die Wirtshäuser und Bauern profitierten von dem riesigen Bedarf an Verpflegung. Der Verkauf des Baumaterials aus den Steinbrüchen auf Gemeindegrund brachte der Gemeindekasse erhebliche Einkünfte.

Eine traurige Begleiterscheinung der großartigen neuen Eisenbahnbrücke waren die Unfälle, bei denen eine Reihe von Bauarbeitern und später auch Einwohner zu Schaden kamen. So ereignete sich 1876 ein tödlicher Unfall, als Joseph, der Sohn des Müllers Johann Betz von der Gleislmühle, am Sonntag mit Freunden die Bahnhofswirtschaft besucht hatte und dann im Dunkeln über die Gleise nach Hause gehen wollte. In der Nähe der Friesenmühle stürzte er bei der Eisenbahnbrücke die hohe Bahnböschung hinab und brach sich die Wirbelsäule.
Die Königlich-Bayerischen Bahn- und Postbeamten in Paradeuniform vor dem Bahnhof Beratzhausen, um 1900 (Foto: Hermann Laßleben).

 

Der Bahnhof wurde ab 1870 von der Ostbahn-AG erbaut. Auf Drängen der Bürger hat man ein Jahr später in dem halbfertigen Gebäude die erste Poststelle eröffnet. Schon bald waren dort vier Zusteller beschäftigt. Ein Kuriosum dabei war, dass der Bahnhof zu Mausheim gehörte, denn das ganze Gebiet jenseits der Schienen war Mausheimer Grund. So kam es, dass Mausheim damals zwei Bahnhöfe besaß – und Beratzhausen bis zur Eingemeindung von Mausheim bei der Gemeindegebietsreform 1972 gar keinen!

 

Die neue Eisenbahnstrecke sorgte sofort für einen großen Aufschwung im Reise- und Handelsverkehr. Beispielsweise konnten die Mühlen ihr Mehl und andere Erzeugnisse nun mit der Eisenbahn an weiter entfernte Ziele transportieren und verkaufen. Der Beratzhausener Fischer hatte schon 1876 einen Vertrag mit dem Nobelrestaurant „Zum Goldenen Kreuz“ in Regensburg, das er mit Forellen belieferte. Viele Privatleute profitierten von der plötzlichen Stadtnähe, da nun auch die großen Märkte erreichbar waren. So fertigte die Beratzhauserin Barbara Bäumer (*1876) als junges Mädchen daheim viele Stricksachen, vor allem warme Socken und Handschuhe, aber auch Pullover und Trachtenjacken. Ihre Erzeugnisse brachte sie dann mit der Bahn nach Regensburg und verkaufte sie an einem der Stände auf dem Kornmarkt oder auf dem Neupfarrplatz. Ihre Hochzeitsreise um die Jahrhundertwende machte sie mit ihrem frisch angetrauten Mann, dem Schneidermeister und Gemeindediener Xaver Humpl, mit der Eisenbahn nach Regensburg,

Andererseits fuhren die „Stadtleute“ jetzt am Wochenende mit der Bahn zum Wandern aufs Land, kehrten in die Wirtshäuser im Ort und in den Mühlen ein oder verbrachten hier gleich mehrere Tage in der „Sommerfrische“. Der neuen Bahnstrecke Nürnberg – Regensburg war es somit zu verdanken, dass auch die Bewohner im Tal der Schwarzen Laber von den Anfängen des Tourismus profitierten.

 

(Text: Dr. Christine Riedl-Valder)